Mittwoch, 7. November 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Der von Kürenberg

Der von Kürenberg - Ich zôch mir einen valken

Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.
Dô ich in gezamete als ich in wolte hân
Und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
Er huop sich ûf vil hôhe und fluog in anderiu lant.

Sît sach ich den valken schône fliegen:
Er fuorte an sînem fuoze sîdîne riemen,
Und was im sîn gevidere alrôt guldîn.
Got sende si zesamene die gerne geliep wellen sîn!



Über den Autor ist wenig bekannt, außer, dass er eben aus Kürenberg (heute u.U. anders geschrieben) stammte und im 12. Jahrhundert lebte. 
Das oben stehende Gedicht ist aber eins der schönsten, die der Minnesang je hervorgebracht hat. Der Falke - ein gern verwendetes Symbol - steht hier für einen Menschen; die Vermutung liegt nahe - wenn man die vorherrschende Thematik der Minnelyrik betrachtet - dass das Werk aus der Perspektive einer Frau geschrieben wurde, deren Liebhaber sich nach über einem Jahr von ihr trennt. "Anderiu lant" bedeutet in der Falknersprache nämlich "fremde Reviere". In der Aussage "Er fuorte an sînem fuoze sîdîne riemen / Und was im sîn gevidere alrôt guldîn" schwingt die Hoffnung mit, dass der Mann - der, wie durch das Symbol des Schmuckes angedeutet, auch noch einen Teil seiner vorherigen Beziehung mit sich trägt - wieder zurückkehrt. Generell scheint es zwar eine wehmütige, aber auch wohlwollende Trennung zu sein ("Got sende si zesamene die gerne geliep wellen sîn!"). 

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