Mittwoch, 12. Dezember 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Percy Bysshe Shelley

Percy Bysshe Shelley - Ozymandias

 I met a traveller from an antique land
Who said: — Two vast and trunkless legs of stone
Stand in the desert... Near them, on the sand,
Half sunk, a shattered visage lies, whose frown,
And wrinkled lip, and sneer of cold command,
Tell that its sculptor well those passions read
Which yet survive, stamped on these lifeless things,
The hand that mocked them, and the heart that fed:
And on the pedestal these words appear:
‚My name is Ozymandias, king of kings:
Look on my works, ye Mighty, and despair!‘
Nothing beside remains. Round the decay
Of that colossal wreck, boundless and bare
The lone and level sands stretch far away.



Thema dieses Sonettes von 1817 ist einerseits die Vergänglichkeit alles Irdischen und andererseits die Selbstüberschätzung und Überheblichkeit, mit der wir die Bedeutung unserer Taten betrachten. So wie Ozymandias (abgeleitet von Ramses) in seiner Arroganz glaubt, er müsse der mächtigste Herrscher der Welt sein, während um sein zerfallenes Denkmal herum nur noch Wüste ist, werde es früher oder später allen ergehen, die ähnlich denken, so Shelleys Botschaft.
In der jüngeren Popkultur ist der Name "Ozymandias" wohl am ehesten als das wundervoll passende Alias eines der "Watchmen" bekannt.



Donnerstag, 29. November 2012

Filmreview: Into the Wild

Christopher McCandless hat eigentlich alles, was man sich nur wünschen kann: er ist gerade einmal 22 Jahre alt, sieht gut aus, ist aus reichem Hause und hat einen Abschluss in Geschichte und Anthropologie. Aber all diese Dinge besitzen für ihn keinen Wert: er ist ein romantischer Träumer, ein Poet, der sich ein Leben ohne materiellen Besitz wünscht und von der Arroganz der wohlsituierten Eltern angewidert ist. Und so macht er sich nach dem Studium auf eine zweijährige Reise durch die USA, die ihn erst in den Süden bis nach Mexiko und schließlich zurück in den Norden bis hinauf nach Alaska führt. All diese Zeit verbringt er als Obdachloser, jobbt mal hier, mal da, und ist zufrieden und glücklich mit den Eindrücken, die er gewinnt, und den Menschen, die er kennenlernt.
In der Wildnis Alaskas richtet er sich schließlich fernab jeglicher Zivilisation einigermaßen heimisch ein und versucht, seine Vorstellung vom auf das Nötigste reduzierten Leben zu verwirklichen - und mehr kann und soll hier nicht verraten werden.

Sean Penns Film hat vieles, was für ihn spricht.
Da wären zum einen die unglaublichen Landschaftsaufnahmen. Die Schönheit Alaskas kann einem schon mal den Atem rauben - das ist tatsächlich noch unberührte Natur in ihrer rauen, ursprünglichen Form.
Dann wären da die Schauspieler. Emile Hirsch (als Christopher McCandless) wird zwar wahrscheinlich auch mit 40 noch aussehen wie Muttis Liebling, erledigt seinen Job aber ordentlich, wenn auch nicht oscarreif. Die Nebenrollen sind prominent besetzt, u.a. mit Twilight-Starlet Kristen Stewart (die auch in diesem Film an Gesichtslähmung zu leiden scheint und die schwächste Vorstellung abliefert), William Hurt, Marcia Gay Harden, Catherine Keener, Vince Vaughn, Jena Malone und Hal Holbrook, der dem Film seine einzige Oscar-Nominierung als bester Nebendarsteller einbrachte. Außerdem ist da noch der v.a. aus Hangover bekannt Zach Galifianakis.
Ein weiterer, wichtiger Grund ist die fantastische Filmmusik Eddie Vedders, die unverständlicherweise nicht einmal für einen Oscar nominiert war. Eddie Vedder - Sänger und Gitarrist der legendären Grunge-Band Pearl Jam - zeigt, dass er auch ganz sanfte Töne anschlagen kann. So begleitet er sich meist selbst mit Banjo oder Mandoline, während seine schwermütige, tiefe Stimme die verträumte Atmosphäre des Films perfekt einfängt.

Aber es gibt natürlich auch das ein oder andere, was nicht ganz so gelungen ist.
So stellt man sich schon die Frage, ob es besonders intelligent oder ein Ausdruck freiheitlichen Denkens ist, wenn man nach Alaska auswandert, ohne ein Karte mitzunehmen, oder Wildpflanzen isst, ohne sich hundertprozentig über die genaue Art sicher zu sein. Das ist eher etwas bekloppt. Sean Penn lässt sich da doch arg von der zweifelsohne gewagten und auch sehr idealistischen Idee begeistern und glorifiziert seinen tragischen Helden dadurch etwas zu viel.
Außerdem verliert der Film vor lauter Begeisterung über die Großartigkeit seiner Bilder manchmal - aber nur manchmal - den Inhalt etwas aus den Augen und neigt gelegentlich etwas zum Kitsch.

Aber das ist Kritik auf hohem Niveau, die sich weiß Gott verschmerzen lässt. Alles in allem ist Into the Wild dennoch eine sehr gelungene und in dieser Form einzigartige Biographie eines Getriebenen, dem sein eigenes Streben letztendlich zum Verhängnis wird. Das ist schwerer Stoff, gefällig und unterhaltsam umgesetzt und allemal einen Blick wert.
Dafür gibt's 7 / 10 Punkten.

Der literarische Mittwoch - feat. Georg Heym

Nachdem der literarische Mittwoch jetzt gleich zwei mal ausgefallen ist, gibt es heute ein kleines Double Feature: erst das übliche Gedicht, dann eine Filmreview. Aber bleiben wir erst mal bei der Lyrik:


Georg Heym - Resignation

Hoch ragt der Neubau in den Abendwind
Der sacht vom Flusse kommt gezogen.
Welle um Welle vertauschet sind,
In die Dämmerung fließen die Wogen.

Siehe, ein Feuerlein blinkt in die Nacht
Und es drängt sich von bleichen Gestalten
Von Fronden gehetzt, vor der Arbeit verwacht,
Sahst du, wie die Fäuste sich ballten.

Fern gen Süden die Schwäne sich reihn,
Wellen nach, Wogen nach sind sie verschwunden.
Sie fliegen zur Freiheit zum Sonnenschein.
Ach, uns sind ja die Hände gebunden.


Dieses Gedicht verfasste der damals 16-jährige Heym 1904, und schon hier zeigt sich der enorme Einfluss, den er auf den deutschen Expressionismus haben sollte: die Stadt (repräsentiert durch den "Neubau") zerstört das Individuum durch Anonymität, Überforderung und Einsamkeit. An seine Stelle tritt eine gesichtslose Masse, und es gibt keine Hoffnung, sich dieser Entwicklung entgegenzusetzen.
Spätere Werke Heyms zeigen eine noch düsterere Weltanschauung, so z.B. sein vermutlich bekanntestes Gedicht "Der Krieg".
Heym stirbt 1912 24-jährig, als er einem beim Eislaufen verunglückten Freund - der Schriftsteller Ernst Balcke, der ebenfalls umkommt - helfen will und selbst einbricht.  
 

Mittwoch, 7. November 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Der von Kürenberg

Der von Kürenberg - Ich zôch mir einen valken

Ich zôch mir einen valken mêre danne ein jâr.
Dô ich in gezamete als ich in wolte hân
Und ich im sîn gevidere mit golde wol bewant,
Er huop sich ûf vil hôhe und fluog in anderiu lant.

Sît sach ich den valken schône fliegen:
Er fuorte an sînem fuoze sîdîne riemen,
Und was im sîn gevidere alrôt guldîn.
Got sende si zesamene die gerne geliep wellen sîn!



Über den Autor ist wenig bekannt, außer, dass er eben aus Kürenberg (heute u.U. anders geschrieben) stammte und im 12. Jahrhundert lebte. 
Das oben stehende Gedicht ist aber eins der schönsten, die der Minnesang je hervorgebracht hat. Der Falke - ein gern verwendetes Symbol - steht hier für einen Menschen; die Vermutung liegt nahe - wenn man die vorherrschende Thematik der Minnelyrik betrachtet - dass das Werk aus der Perspektive einer Frau geschrieben wurde, deren Liebhaber sich nach über einem Jahr von ihr trennt. "Anderiu lant" bedeutet in der Falknersprache nämlich "fremde Reviere". In der Aussage "Er fuorte an sînem fuoze sîdîne riemen / Und was im sîn gevidere alrôt guldîn" schwingt die Hoffnung mit, dass der Mann - der, wie durch das Symbol des Schmuckes angedeutet, auch noch einen Teil seiner vorherigen Beziehung mit sich trägt - wieder zurückkehrt. Generell scheint es zwar eine wehmütige, aber auch wohlwollende Trennung zu sein ("Got sende si zesamene die gerne geliep wellen sîn!"). 

Sonntag, 4. November 2012

Musik: Twee-Pop

Hier mal einige Tipps für Leute, die sich für Twee-Pop begeistern können. Und für die, die sich vielleicht dafür begeistern könnten, wenn sie wüssten, was das ist: Twee-Pop zeichnet sich durch relativ einfache, fröhliche Melodien und ebensolche Texte aus. Das ist unbeschwerte, lockere Gute-Laune-Musik, die z.B. auch auf dem (großartigen) Soundtrack zum (noch großartigeren) Film Juno zum Einsatz kam.

Die unbestrittenen Könige dieses Genres sind natürlich Belle & Sebastian, auch wenn sie sich selbst immer gegen diese Kategorisierung gewehrt haben. Abstreiten kann man die musikalische Verwandtschaft aber nicht. Mit den letzten Alben wandten sie sich zwar einer etwas komplexeren Songstruktur zu, aber die früheren CDs nehmen eine Pionierrolle für die Stilrichtung ein.
Reinhören kann man sich mal mit:
Get me away from here, I'm dying
If you find yourself caught in love
I'm a cuckoo

Ebenfalls empfehlenswert sind die schwedischen Acid House Kings, die 1991 (also fünf Jahre vor Belle & Sebastian) gegründet wurden, aber nie die Bekanntheit der obigen erlangt haben. Mit großteils weiblichem Gesang:
Waterfall
Would you say stop?
Are we lovers or are we friends?

Zuletzt noch kurz die australischen Architecture in Helsinki, die etwas elektronischer zu Werke gehen als die beiden zuvor beschriebenen Bands:
Do the whirlwind
Maybe you can owe me
Hold Music

Donnerstag, 25. Oktober 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Edgar Allan Poe

Der literarische Mittwoch mal wieder am Donnerstag, aus Gründen. Und mal wieder mit Poe.


Edgar Allan Poe - Annabel Lee

It was many and many a year ago,
In a kingdom by the sea,
That a maiden there lived whom you may know
By the name of Annabel Lee;
And this maiden she lived with no other thought
Than to love and be loved by me.

I was a child and she was a child,
In this kingdom by the sea:
But we loved with a love that was more than love -
I and my Annabel Lee;
With a love that the winged seraphs of heaven
Coveted her and me.

And this was the reason that, long ago,
In this kingdom by the sea,
A wind blew out of a cloud, chilling
My beautiful Annabel Lee;
So that her high-born kinsmen came
And bore her away from me,
To shut her up in a sepulchre
In this kingdom by the sea.

The angels, not half so happy in heaven,
Went envying her and me -
Yes! that was the reason (as all men know,
In this kingdom by the sea)
That the wind came out of the cloud one night,
Chilling and killing my Annabel Lee.

But our love it was stronger by far than the love
Of those who were older than we -
Of many far wiser than we -
And neither the angels in heaven above,
Nor the demons down under the sea,
Can ever dissever my soul from the soul
Of the beautiful Annabel Lee;

For the moon never beams without bringing me dreams
Of the beautiful Annabel Lee;
And the stars never rise but I feel the bright eyes
Of the beautiful Annabel Lee;
And so, all the night-tide, I lie down by the side
Of my darling -my darling -my life and my bride,
In the sepulchre there by the sea -
In her tomb by the sounding sea. 


Zu Poe könnte ich nicht mehr viel sagen, ohne mich zu wiederholen - aber auch das obige Gedicht zeigt einfach, was für ein großer Lyriker er war. Abgesehen von der gewohnt düsteren Geschichte ist auch die sprachliche Brillanz beeindruckend. 

Freitag, 19. Oktober 2012

Filmreview: Cube

Sechs Menschen erwachen eingeschlossen in würfelartigen Räumen und versuchen schließlich, gemeinsam dem riesigen Gebäude zu entfliehen. Dabei sind manche der Räume jedoch mit tödlichen Fallen gespickt, und die Nummern an den Türen scheinen ein mathematisches Geheimnis zu beinhalten - und das ist nicht das einzige Problem, denn auch unter den Gefangenen gibt es immer stärkere Spannungen.

Mehr Informationen braucht man eigentlich gar nicht, um a) zu wissen, worum es geht und b) zu merken, was für ein gewaltiges Potenzial in der Geschichte steckt. Cube hätte ein philosophisch angehauchter, nervenaufreibender Psychothriller werden können, dem stehen aber einerseits die unglaubwürdigen, gestelzten Dialoge und andererseits die großteils miserablen Schauspieler im Weg. Maurice Dean Wints "Ich bin grad echt sauer und kurz vorm Durchdrehen"-Blick lässt sich am ehesten mit der mimischen Wandlungsfähigkeit eines Steven Seagal vergleichen. Außerdem schafft es der Film nicht ganz, den psychischen Stress, die Panik, die nackte Angst der Eingeschlossenen rüberzubringen. Dazu ist vielleicht auch der abgedeckte Zeitraum zu kurz - wenn erstmal Hunger und Durst einsetzen, hätte das Geschehen noch sehr viel eindringlicher werden können.
Ein weiterer Störfaktor ist der selten dämliche "dramatische Höhepunkt" kurz vor Schluss, auch wenn die Schlussszene selbst wirklich passend ist.
Was der Film dagegen gut macht, ist, dass er uns weitestgehend im Unklaren über Sinn, Herkunft und Lage des Würfels lässt (was dann die Teile 2 und 3 allerdings ebenfalls niedergebügelt haben), ebenso wie wir nie erfahren, warum gerade diese Menschen "ausgewählt" wurden, wie sie dorthin gekommen sind und wer hinter dem ganzen Schlamassel steckt. Zu viele Informationen hätten den Cube seines größten Angstfaktors beraubt, nämlich der Ungewissheit, des Mysteriösen. 


Fazit: nicht wirklich schlecht, aber es hätte so viel besser sein können. Die wirklich herausragende Story kann den Film nicht alleine tragen, und es gesellen sich mit der Zeit einfach immer mehr negative Aspekte und unfreiwillig komische Momente dazu. Da wäre viel mehr drin gewesen.

Mittwoch, 17. Oktober 2012

Der literarische Mittwoch - feat. John Keats

John Keats - La belle dame sans merci

"O what can ail thee, knight-at-arms,
Alone and palely loitering?
The sedge has wither’d from the lake,
And no birds sing.

O what can ail thee, knight-at-arms!
So haggard and so woe-begone?
The squirrel’s granary is full,
And the harvest’s done. 

I see a lily on thy brow
With anguish moist and fever dew,
And on thy cheeks a fading rose
Fast withereth too." 

I met a lady in the meads,
Full beautiful—a faery’s child,
Her hair was long, her foot was light,
And her eyes were wild. 

I made a garland for her head,
And bracelets too, and fragrant zone;
She look’d at me as she did love,
And made sweet moan.

I set her on my pacing steed,
And nothing else saw all day long,
For sidelong would she bend, and sing
A faery’s song. 

She found me roots of relish sweet,
And honey wild, and manna dew,
And sure in language strange she said—
“I love thee true.” 

She took me to her elfin grot,
And there she wept, and sigh’d fill sore,
And there I shut her wild wild eyes
With kisses four. 

And there she lulled me asleep,
And there I dream’d—Ah! woe betide!
The latest dream I ever dream’d
On the cold hill’s side. 

I saw pale kings and princes too,
Pale warriors, death-pale were they all;
They cried—“La Belle Dame sans Merci
Hath thee in thrall!”

I saw their starved lips in the gloam,
With horrid warning gaped wide,
And I awoke and found me here,
On the cold hill’s side. 

And this is why I sojourn here,
Alone and palely loitering,
Though the sedge is wither’d from the lake,
And no birds sing.




John Keats - 1795 in London geboren - hatte zeitlebens darunter zu leiden, dass seinen Gedichten nicht die Anerkennung entgegengebracht wurde, die sie verdient gehabt hätten. Das lag zunächst einmal daran, dass er als Sohn eines Stallmeisters von sozial niedriger Herkunft war und deshalb in den elitären Lyrikerkreisen nicht ernst genommen wurde. Dass das aus reiner Arroganz geschah, wird jeder bemerken, der einige Werke Keats' gelesen hat - seine anspruchsvolle Sprache und seine oft wirklich wunderschönen, fast zerbrechlichen Verse lassen keinen Zweifel daran, dass diese Ablehnung aus reiner Kränkung über die Tatsache, dass ein aus einfachen Verhältnissen stammender junger Mann auf mindestens dem selben Niveau schreiben konnte wie die reichen und gebildeten Adligen, geschah. 
Thematisch beschäftigte Keats sich häufig mit Themen wie Schönheit und Vergänglichkeit - beides zu finden in obigem Gedicht.
Keats starb 1821 gerade einmal 25-jährig an Tuberkulose, die auch schon seine Mutter und seinen Bruder das Leben gekostet hatte.

Mittwoch, 10. Oktober 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Edgar Allan Poe

Edgar Allan Poe - The Raven

Once upon a midnight dreary, while I pondered weak and weary,
Over many a quaint and curious volume of forgotten lore,
While I nodded, nearly napping, suddenly there came a tapping,
As of some one gently rapping, rapping at my chamber door.
`'Tis some visitor,' I muttered, `tapping at my chamber door -
Only this, and nothing more.'

Ah, distinctly I remember it was in the bleak December,
And each separate dying ember wrought its ghost upon the floor.
Eagerly I wished the morrow; - vainly I had sought to borrow
From my books surcease of sorrow - sorrow for the lost Lenore -
For the rare and radiant maiden whom the angels named Lenore -
Nameless here for evermore.

And the silken sad uncertain rustling of each purple curtain
Thrilled me - filled me with fantastic terrors never felt before;
So that now, to still the beating of my heart, I stood repeating
`'Tis some visitor entreating entrance at my chamber door -
Some late visitor entreating entrance at my chamber door; -
This it is, and nothing more,'

Presently my soul grew stronger; hesitating then no longer,
`Sir,' said I, `or Madam, truly your forgiveness I implore;
But the fact is I was napping, and so gently you came rapping,
And so faintly you came tapping, tapping at my chamber door,
That I scarce was sure I heard you' - here I opened wide the door; -
Darkness there, and nothing more.

Deep into that darkness peering, long I stood there wondering, fearing,
Doubting, dreaming dreams no mortal ever dared to dream before;
But the silence was unbroken, and the darkness gave no token,
And the only word there spoken was the whispered word, `Lenore!'
This I whispered, and an echo murmured back the word, `Lenore!'
Merely this and nothing more.

Back into the chamber turning, all my soul within me burning,
Soon again I heard a tapping somewhat louder than before.
`Surely,' said I, `surely that is something at my window lattice;
Let me see then, what thereat is, and this mystery explore -
Let my heart be still a moment and this mystery explore; -
'Tis the wind and nothing more!'

Open here I flung the shutter, when, with many a flirt and flutter,
In there stepped a stately raven of the saintly days of yore.
Not the least obeisance made he; not a minute stopped or stayed he;
But, with mien of lord or lady, perched above my chamber door -
Perched upon a bust of Pallas just above my chamber door -
Perched, and sat, and nothing more.

Then this ebony bird beguiling my sad fancy into smiling,
By the grave and stern decorum of the countenance it wore,
`Though thy crest be shorn and shaven, thou,' I said, `art sure no craven.
Ghastly grim and ancient raven wandering from the nightly shore -
Tell me what thy lordly name is on the Night's Plutonian shore!'
Quoth the raven, `Nevermore.'

Much I marvelled this ungainly fowl to hear discourse so plainly,
Though its answer little meaning - little relevancy bore;
For we cannot help agreeing that no living human being
Ever yet was blessed with seeing bird above his chamber door -
Bird or beast above the sculptured bust above his chamber door,
With such name as `Nevermore.'

But the raven, sitting lonely on the placid bust, spoke only,
That one word, as if his soul in that one word he did outpour.
Nothing further then he uttered - not a feather then he fluttered -
Till I scarcely more than muttered `Other friends have flown before -
On the morrow he will leave me, as my hopes have flown before.'
Then the bird said, `Nevermore.'

Startled at the stillness broken by reply so aptly spoken,
`Doubtless,' said I, `what it utters is its only stock and store,
Caught from some unhappy master whom unmerciful disaster
Followed fast and followed faster till his songs one burden bore -
Till the dirges of his hope that melancholy burden bore
Of "Never-nevermore."'

But the raven still beguiling all my sad soul into smiling,
Straight I wheeled a cushioned seat in front of bird and bust and door;
Then, upon the velvet sinking, I betook myself to linking
Fancy unto fancy, thinking what this ominous bird of yore -
What this grim, ungainly, ghastly, gaunt, and ominous bird of yore
Meant in croaking `Nevermore.'

This I sat engaged in guessing, but no syllable expressing
To the fowl whose fiery eyes now burned into my bosom's core;
This and more I sat divining, with my head at ease reclining
On the cushion's velvet lining that the lamp-light gloated o'er,
But whose velvet violet lining with the lamp-light gloating o'er,
She shall press, ah, nevermore!

Then, methought, the air grew denser, perfumed from an unseen censer
Swung by Seraphim whose foot-falls tinkled on the tufted floor.
`Wretch,' I cried, `thy God hath lent thee - by these angels he has sent thee
Respite - respite and nepenthe from thy memories of Lenore!
Quaff, oh quaff this kind nepenthe, and forget this lost Lenore!'
Quoth the raven, `Nevermore.'

`Prophet!' said I, `thing of evil! - prophet still, if bird or devil! -
Whether tempter sent, or whether tempest tossed thee here ashore,
Desolate yet all undaunted, on this desert land enchanted -
On this home by horror haunted - tell me truly, I implore -
Is there - is there balm in Gilead? - tell me - tell me, I implore!'
Quoth the raven, `Nevermore.'

`Prophet!' said I, `thing of evil! - prophet still, if bird or devil!
By that Heaven that bends above us - by that God we both adore -
Tell this soul with sorrow laden if, within the distant Aidenn,
It shall clasp a sainted maiden whom the angels named Lenore -
Clasp a rare and radiant maiden, whom the angels named Lenore?'
Quoth the raven, `Nevermore.'

`Be that word our sign of parting, bird or fiend!' I shrieked upstarting -
`Get thee back into the tempest and the Night's Plutonian shore!
Leave no black plume as a token of that lie thy soul hath spoken!
Leave my loneliness unbroken! - quit the bust above my door!
Take thy beak from out my heart, and take thy form from off my door!'
Quoth the raven, `Nevermore.'

And the raven, never flitting, still is sitting, still is sitting
On the pallid bust of Pallas just above my chamber door;
And his eyes have all the seeming of a demon's that is dreaming,
And the lamp-light o'er him streaming throws his shadow on the floor;
And my soul from out that shadow that lies floating on the floor
Shall be lifted - nevermore!



Lang, aber das Lesen lohnt sich! Edgar Allan Poe (übrigens kein Brite, wie oft vermutet wird, sondern US-Amerikaner) hat es in gerade einmal 40 Lebensjahren geschafft, zu einem der bedeutendsten Dichter der Geschichte zu werden und hat wie wohl kein Zweiter die Genres Horror und Science-Fiction sowie Kriminalliteratur geprägt. Sein Einfluss auf die nachfolgende Lyrik ist unermesslich.
Wie man an seinen allgemein düsteren Werken erahnen kann, war Poe kein glücklicher Mensch, der zeitlebens mit Spiel- und Trinksucht und daraus folgenden Schulden zu kämpfen hatte. Sein Genie wurde erst nach seinem Tod erkannt, zuvor blieb ihm großer Ruhm - und Reichtum - versagt. Das lag daran, dass Poe in seiner Arbeit als Literaturkritiker es sich mit einigen einflussreichen Schriftstellern verdorben hatte, die als Rache Gerüchte über ihn verbreiteten und seinen Ruf schädigten.
Poe starb 1849 unter ungeklärten Umständen in Baltimore - nach einem bewegten, aber auch weitgehend gescheiterten Leben.

Donnerstag, 4. Oktober 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Dylan Thomas

Der literarische Mittwoch - heute mal am Donnerstag.


Dylan Thomas - And death shall have no dominion

And death shall have no dominion.
Dead men naked they shall be one
With the man in the wind and the west moon;
When their bones are picked clean and the clean bones gone,
They shall have stars at elbow and foot;
Though they go mad they shall be sane,
Though they sink through the sea they shall rise again;
Though lovers be lost love shall not;
And death shall have no dominion.

And death shall have no dominion.
Under the windings of the sea
They lying long shall not die windily;
Twisting on racks when sinews give way,
Strapped to a wheel, yet they shall not break;
Faith in their hands shall snap in two,
And the unicorn evils run them through;
Split all ends up they shan't crack;
And death shall have no dominion.

And death shall have no dominion.
No more may gulls cry at their ears
Or waves break loud on the seashores;
Where blew a flower may a flower no more
Lift its head to the blows of the rain;
Though they be mad and dead as nails,
Heads of the characters hammer through daisies;
Break in the sun till the sun breaks down,
And death shall have no dominion.


Das lasse ich mal unkommentiert so stehen - ich finde, das hier ist eins dieser Gedichte, die durch zu viel Besprechen eher verlieren.

Montag, 1. Oktober 2012

Filmreview: Die Frau in Schwarz

Frühes 20. Jahrhundert. Der junge Anwalt Arthur Kipps, dessen geliebte Frau bei der Geburt ihres gemeinsamen Sohnes starb, nimmt aus Geldnöten einen unbeliebten Auftrag an, den ihm seine Kanzlei zuschiebt. Er soll in das Küstenstädtchen Crythin Grifford reisen, um den Nachlass der jüngst verstorbenen Alice Drablow zu regeln. Schon bei seiner Ankunft verhalten sich die Dorfbewohner abweisend und unfreundlich, und niemand will ihn zu Drablows Villa (die heimelig als "Eel Marsh House" bezeichnet wird, also "Aalsumpf-Haus") bringen, in der sich wichtige Papiere befinden. Denn diese wird angeblich von dem rachsüchtigen Geist der Schwester Drablows heimgesucht. 

Eines ist mal klar: Daniel Radcliffe sieht in dem Film fantastisch aus! Wie direkt der goldenen Ära des Gruselfilms entsprungen. Zwar ist er ein wenig zu jung, um einen verwitweten Familienvater zu spielen, aber er verleiht seiner Rolle dennoch Gewicht und Glaubwürdigkeit und überzeugt auf ganzer Linie. 

Auch sonst hat Die Frau in Schwarz einiges zu bieten: hier wurde mit doch relativ simplen Mitteln (plötzliche Eruptionen der musikalischen Untermalung, zu Fratzen verzerrte Gesichter etc.) eine zum Schneiden dichte Atmosphäre geschaffen, was auch der üppigen Ausstattung und den Kostümen, die mit ihrer viktorianischen Schwere perfekt ins Setting passen, zu verdanken ist. Die subtile Spannung wird immer wieder durch wohlgesetzte und teils richtig fiese Schockmomente aufgelöst, um sofort wieder meisterlich von neuem aufgebaut zu werden. Generell ist der Film herrlich altbacken: hier zucken Blitze, hier flackern Schatten, hier wabert Nebel, hier wuchert Efeu auf verwitterten Steingebäuden, hier krächzen Raben über verfallenen Friedhöfen: das ist nicht unbedingt originell, aber effektiv und passt hervorragend zu der düster-stilvollen "Gothic Horror Novel"-Stimmung. 
Vieles wird nur angedeutet, nur im Augenwinkel aus den dunklen Ecken der Villa erfasst, der Fantasie des Zuschauers überlassen. Das ist altmodisch im besten Sinne, klassischer "Haunted House"-Horror. Ebenfalls bemerkenswert: der Hauptcharakter macht tatsächlich eine Entwicklung durch, und der Film verzichtet auch nicht darauf, einen Grund für den ganzen Spuk zu liefern, der der ganzen Geschichte noch eine tragische Note hinzufügt. Schön! Das ist in diesem Genre leider nicht alltäglich, wo allzu oft viel Blut mit viel Spannung gleichgesetzt wird. 
Dass dann mit der "Frau in Schwarz" auch noch einer der bekanntesten und ältesten Geister verwendet wird, ist wirklich das Tüpfelchen auf dem i - ganz zu schweigen davon, dass diese im Film selbst wirklich gut in Szene gesetzt ist.

Ich habe mich jedenfalls bestens unterhalten gefühlt, habe mich angenehm gegruselt und einige Male heftig erschrocken, und möchte diese in sich perfekt geschlossene Hommage an die Schauernovelle jedem ans Herz legen, der etwas für solche Bücher übrig hat oder auch einfach nur mal wieder einen intelligenten Horrorfilm sehen möchte.

Dafür gibt es glatt 9 / 10 Punkten!

Mittwoch, 26. September 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Peter Altenberg

Peter Altenberg - Und endlich stirbt die Sehnsucht doch

Und endlich stirbt die Sehnsucht doch ---
wie Blüthen sterben im Kellerloch,
die ewig auf ein bisschen Sonne warten.
Wie Thiere sterben, die man lieblos hält,
und alles Unbetreute in der Welt!
Man denkt nicht mehr; »Wo wird sie sein –?!?«
Ruhig erwacht man, ruhig schläft man ein.
Wie in verwehte Jugendtage blickst Du zurück,
und irgendeiner sagt Dir weise: »S' ist Dein Glück!« 
Da denkt man, dass es vielleicht wirklich so ist,
wundert sich still, dass man doch nicht froh ist!



Peter Altenberg - gebürtig Richard Engländer - hat seinen Ruhm eigentlich dem großen Karl Kraus zu verdanken, ohne dessen Ansporn er seine Werke vermutlich nie veröffentlicht hätte.
Altenberg, der aus gesundheitlichen Gründen nie einer geregelten Arbeit nachging, verbrachte die meiste Zeit in Wiens Kaffeehäusern, wo er sich von flüchtigen Beobachtungen und Eindrücken zu seinen fragmentarischen Texten inspirieren ließ. Somit ist er in die Kaffeehausliteratur (das gibt es tatsächlich) einzuordnen, die bei ihm dem Impressionismus nahesteht.
Seine Texte wurden auch vertont, z.B. von Alban Berg, einem Schüler des Erfinders der Zwölftontechnik Arnold Schönberg.

Mittwoch, 19. September 2012

Der literarische Mittwoch - feat. Heinrich Heine

Heinrich Heine - Wo

Wo wird einst des Wandermüden
letzte Ruhestätte sein?
Unter Palmen in dem Süden?
Unter Linden an dem Rhein?

Werd' ich wo in einer Wüste
eingescharrt von fremder Hand?
Oder ruh' ich an der Küste
eines Meeres in dem Sand?

Immerhin mich wird umgeben
Gottes Himmel dort wie hier
und als Totenlampen schweben
nachts die Sterne über mir.



Nicht umsonst gilt Heinrich Heine als einer der wichtigsten deutschen Dichter des 19. Jahrhunderts - kaum ein anderer hielt so geschickt wie er die Balance zwischen romantischer Motivik und sprachlicher Leichtigkeit. Obiges Gedicht ist das perfekte Beispiel dafür: trotz klassisch romantischer Elemente wie Sehnsucht, Fernweh, oder Tod driftet es zu keinem Zeitpunkt in die zweifellos anspruchsvollere, aber auch manchmal schwülstig-schwelgerische Ausdrucksweise anderer Vertreter dieser literarischen Epoche ab. In gewisser Weise hat Heine die Romantik - zu diesem Zeitpunkt bereits in ihrer Endphase - perfektioniert bzw. auf die Spitze getrieben: ein Kennzeichen dieser ist bekanntlich die Anlehnung an Volkslieder - Heine hat sie sprachlich wieder näher an diesen Grundsatz gebracht. Mit einfacher Wortwahl erschuf er kraftvolle, beeindruckende Bilder fernab jeglichen Kitsches.
Das ist es, was große Lyriker ausmacht: formelhafte Plattitüden aneinanderreihen sieht zwar bisweilen auch hübsch aus, aber viel schwieriger ist es, die gleiche Wirkung mit klareren, weniger enigmatisch-mystifizierten Mitteln zu erzielen.
Das hat Heine ein ums andere Mal getan.